2118 – Die heiligen Bäume

Wer genau hinguckt, der erkennt noch
Einkerbungen in meinem verwitterten uralten Stamm.
Es waren wohl Buchstaben und ein Herz.
Das ist lange her. Jahrzehnte sind seitdem vergangen.
Ich habe vieles kommen und gehen sehen.

Es gibt nicht mehr viele von uns.
Früher nannten sie uns Wälder. Wir standen in riesigen
Gruppen auf großen Flächen zusammen.
Es gab so viele Sorten von uns.

Tiere haben mit uns zusammen gelebt.
Wir haben sie genährt.
Menschen haben mit und durch uns zusammen gelebt.
Tiere haben sie genährt.

Irgendwann kamen die Menschen immer seltener.
Die Jäger waren noch da und haben sich genommen
so viel sie wollten. Und wenn dann doch mal
die Menschen kamen, dann haben sie sich uns ge-
nommen, egal ob sie uns wirklich brauchten, oder nicht.

Heute kommen sie wieder öfter zu uns und nennen uns
die heiligen Bäume. Sie kommen und versuchen zu
erahnen, wie es einst gewesen sein könnte.
Und sie erzählen uns von sich. Von Freud und Leid,
welches sie in sich tragen.
Wir sind geduldige Zuhörer.

Manchmal aber kommt ein Mädchen zu mir. Wir sind
Freunde geworden und verstehen uns schweigend.
Ich erzähle ihr all meine Geschichten, die ich im Laufe
meines uralten Lebens erfahren habe.
Sie wird sie für mich aufschreiben. Auf das die
Menschheit wisse, wie es war….

damals , zu der Zeit, als man uns noch Wälder nannte.

 

 

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